In BGH – Fahrerlose Transporteinrichtung beschäftigte sich der X. Zivilsenat in seinem Urteil vom 15. März 2022 mit der Zulässigkeit von spät...
In BGH – Fahrerlose Transporteinrichtung beschäftigte sich der X. Zivilsenat in seinem Urteil vom 15. März 2022 mit der Zulässigkeit von spät gestellten Hilfsanträgen im Patentnichtigkeits- bzw. Nichtigkeitsberufungsverfahren. Grundsätzlich gilt, dass das Stellen von neuen, erstinstanzlich nicht vorgebrachten Hilfsanträgen im Berufungsverfahren nur unter den strengen Maßgaben des § 116 Abs. 2 PatG zulässig ist.
Allerdings stellt der BGH in seiner obigen Leitsatzentscheidung fest, dass neue Hilfsanträge unter gewissen Umständen auch in einem späten Verfahrensstadium und sogar während des Berufungsverfahrens noch zu berücksichtigen sein können:
a) Die Beklagte eines Patentnichtigkeitsverfahrens hat in der Regel keinen Anlass zur Stellung von Hilfsanträgen zur Abgrenzung vom Stand der Technik, wenn das Patentgericht in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis die vorläufige Auffassung äußert, der Gegenstand des Streitpatents sei patentfähig.
b) Legt die Klägerin nach einem solchen Hinweis eine Vielzahl neuer Entgegenhaltungen vor, muss die Beklagte überprüfen, ob das ergänzende Vorbringen zu einer anderen Beurteilung führen könnte, und gegebenenfalls auch geeignete Hilfsanträge stellen. Wenn sich hierbei eine Vielzahl von technischen Gesichtspunkten als potentiell relevant erweist, kann es aber nicht ohne weiteres als nachlässig angesehen werden, wenn die Beklagte einem einzelnen Gesichtspunkt durch ihre erstinstanzlichen Hilfsanträge nicht Rechnung getragen hat.
c) Hilfsanträge, die einer aus dem erstinstanzlichen Urteil ersichtlichen Auslegung des Streitpatents Rechnung tragen sollen, sind grundsätzlich innerhalb der Frist für die Berufungsbegründung zu stellen. Später gestellte Anträge sind zu berücksichtigen, wenn ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert.
Damit bleibt es dennoch ratsam, im Patentnichtigkeitsverfahren eine umfassende Strategie zur Verteidigung des eigenen Patents auch im Rahmen von Hilfsanträgen so früh wie möglich zu erarbeiten. Auch wenn dies zunächst einen größeren Aufwand bedeutet, lassen sich so Zulässigkeitsprobleme zu einem späteren Zeitpunkt vermeiden.